Seit mehr als 20 Jahren wird Lernortkooperation im Ausbildungsberuf Industriekaufmann /-frau in unterschiedlicher Intensität durchgeführt. Während des Modellversuchs „Lernortkooperation zur Umsetzung ganzheitlichen Lernens“ wurden erstmals konkrete Zielsetzungen formuliert und die Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieben auf eine institutionelle Basis gestellt.
Zur Sicherung der Nachhaltigkeit und organisatorischen Durchführung der Kooperationsaktivitäten wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die auf folgender Grundlage arbeitet:
Seit 1995 fanden regelmäßig Arbeitssitzungen statt, auf denen sowohl die konzeptionellen Grundlagen einer lernortintegrierenden Ausbildung als auch eine Fülle von Einzelprojekten und –maßnahmen angeregt, diskutiert, organisiert und kritisch reflektiert wurde. Es entwickelte sich dabei eine Arbeitsatmosphäre, die durch konstruktive Offenheit, gegenseitiges Verständnis und ein unkompliziertes, zielgerichtetes Miteinander geprägt ist und weit über den rein dienstlichen Aspekt hinausgeht.
Kompetenzschwerpunkte
Im Verlauf ihrer Arbeit entwickelte die Gruppe eine lernortintegrierende Ausbildungskonzeption, in der im Rahmen der einzelnen Lernfelder „Ausflüge in die Realität“ (z.B. Betriebserkundungen) durchgeführt werden.
Das beschriebene Konzept ist eine Idealvorstellung. In Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass es bisweilen nur schwer bzw. nur in Teilen realisierbar ist. Alle Beteiligten sind sich jedoch darüber einig, dass ein solcher Orientierungsrahmen für die Planung und Durchführung einer optimierten Ausbildung unverzichtbar ist.
Eine große Herausforderung für den „Arbeitskreises Industrie“ war die konkrete Umsetzung der seit 01. August 2002 gültigen neuen Ausbildungsordnung „Industriekaufmann /-frau“ in Schule und Betrieb. Neue pädagogische Schwerpunkte (Lernfeldkonzeption, Geschäftsprozessorientierung, Einsatz einer integrierten Software im Unterricht) erforderten - und erfordern auch in Zukunft - eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten.
Es gibt also viel zu tun. Gemeinsam werden wir es schaffen!
Die Kooperationspartner verständigten sich gleich zu Beginn der gemeinsamen Arbeit darauf, eine die gesamte Ausbildungszeit umfassende Konzeption zu entwickeln, die folgenden Kriterien genügen sollte:
Ganzheitlichkeit
Grundlage der gesamten inhaltlichen Arbeitet bildet der auf dem KMK-Rahmenlehrplan basierende Arbeitsplan der BBS III für Industriekaufleute. Die Arbeitsgruppe war sich darüber einig, dass neben der Integration der Unterrichtsinhalte in den Lernfeldern eine möglichst weitgehende und durchgängige Abstimmung zwischen den Lernorten erfolgen muss. Dies bedeutet, dass – im Idealfall - die entsprechenden betrieblichen Ausbildungsabteilungen von den Azubis unmittelbar vor der Behandlung der Lerninhalte in der Schule durchlaufen werden sollen (Abstimmung der betrieblichen Ausbildungspläne mit den schulischen Arbeitsplänen). Darüber hinaus soll ein sinnvoller Wechsel der Lernorte den ganzheitlichen Charakter der Lernprozesse verstärken: Schule (Schulklassen einschließlich Lehrer) geht in die Betriebe, betriebliche Vertreter kommen in die Schule. Schließlich wurde festgelegt, dass alle Überlegungen und Festlegungen mit Blick auf die gesamte Ausbildungsdauer erfolgen sollen.
Induktive Erschließung der Lerninhalte
Mit der geforderten Platzierung praktischer Erfahrungen vor der theoretischen Erarbeitung wird ein zweites Gestaltungskriterium für eine lernortintegrierende Ausbildungskonzeption deutlich: Wann immer es möglich und vertretbar erscheint , sollen die Lerninhalte induktiv, d.h. durch Begegnung mit der realen Betriebssituation erschlossen werden. Dies wird vor allem durch den Zeitpunkt von Betriebsbesichtigungen, Betriebserkundungen, Durchlauf von betrieblichen Ausbildungsabteilungen usw. sichergestellt. Die dabei gewonnene Anschaulichkeit konkreter Sachverhalte und Situationen dient im folgenden Unterricht als „Beispiel-Anker“ und Motivationspotential. Sie wird ergänzt und ggf. ersetzt durch didaktisch modellierte „Realität“ innerhalb der Modellunternehmung (Harry Holzwurm OHG).
Kompetenzschwerpunkte
Im Rahmen des Methodenseminars werden einzelne Methoden- und Sozialkompetenzen gezielt grundgelegt und eingeübt (Basistraining). Die so erarbeiteten Kompetenzen finden in nachfolgenden Projekten wiederholte Anwendung, werden verfestigt und optimiert (Methodenpflege).
Progression
Durch den Grundsatz der Progression soll sichergestellt werden, dass die Erreichung der angestrebten Lernerfolge und Kompetenzen sukzessive realisiert wird. Inhaltliche und methodische Anforderungen werden konzeptionell an den individuellen Fähigkeiten der Auszubildenden, der Lerngruppe sowie am Zeitpunkt innerhalb des Ausbildungsprozesses orientiert. Konkret bedeutet dies, dass sowohl die äußere Form der durchgeführten Projekte als auch die in den einzelnen Projekten selbst vorgegebene Gliederung, Detaillierung und Ausformulierung der Arbeitsaufträge sowie die angebotenen Hilfestellungen zunehmend offener werden: Beginnend mit sehr eng begrenzten Aufgabenstellungen (Betriebsbesichtigung, Betriebserkundung, Lerninsel) erhalten die Lernenden mit fortschreitender Ausbildungsdauer zunehmend eigene, auch unkonventionelle Lösungsspielräume (Lernaufgaben) bis schließlich eine reale Situation nur noch dargestellt wird, die Probleme und die daraus resultierenden Aufgabenstellungen von den Auszubildenden selbst erkannt, formuliert und in Form von Lösungsvorschlägen materialisiert und präsentiert werden müssen (Fallstudie).